Papa
Herbert Koch
Zu wenig Zeit
Papa
Als sich meine Eltern 1999 trennten, pendelte ich immer hin und her zwischen Witzenhausen und Breunings. Papa lebte noch eine Weile dort, nachdem wir ausgezogen waren. Ich kann mich erinnern, dass ich noch so oft es ging dort war, da mir meine Heimat fehlte. Ich besuchte noch meinen damaligen Freund Florian, der auch im Dorf wohnte, tagsüber war ich bei ihm und abends ging ich die 400 Meter, die ich von zu Hause entfernt war durch den Garten nach Hause. Ich sah das Licht bei Papa in der unteren Etage unseres Hauses brennen und freute mich zu ihm zu kommen. Papa spielte abends immer eine seiner Schallplatten oder eine seiner aufgenommenen Kassetten ab, während er mir Abendbrot machte. Diese Zeit habe ich als schönste Kindheitserinnerung im Gedächtnis.
Nach Breunings zog Papa nach Wallroth in ein kleines Haus. Es war dort sehr bescheiden, aber ich mochte genau diese Bescheidenheit, wenn ich Papa besuchte. Nach einem schweren Fehler von Papa hatte er nicht mehr viel Geld und man lernte den Boden der Tatsachen zu schätzen und zu spüren. Jahre später sollte ich die gleiche Erfahrung nur nochmal doppelt so schlimm erleben.
14 Jahre nach der Trennung meiner Eltern und sporadischen Wochenendbesuchen zog ich 2013 aufgrund eines Jobangebots in der Probezeit von Kassel weg zu meinem Vater. Es sollte das letzte Mal sein, dass wir zusammen wohnten, was man erst Jahre später zu schätzen weiß. Leider verbrachten mein Vater und ich viel zu wenig Zeit zusammen in meinem Leben. Rückblickend hätte ich mir gewünscht, dass er in die Nähe zu mir gezogen wäre und man in der gleichen Stadt gewohnt hätte. Mittlerweile trennen uns viel zu viele Kilometer voneinander. Jetzt ist Papa 70 Jahre alt und die Zeit, die vergangen ist, kann man nicht mehr zurückholen.
Verhältnis
Papa und ich telefonieren ab und an miteinander, aber auch nicht zu oft, was vieleicht an mir liegt. Ich bin eigentlich nicht der Typ, der am Telefon irgendwas erzählt und vor allem hasse ich es Dinge doppelt zu erzählen. Halte aber auch vieles für nicht relevant. Der Kontakt ist mit den Jahren weniger geworden, aber das ist ebenso bei meiner Mutter. Es ändert nichts an meiner Liebe, aber man merkt, dass mein Vater mich erst sehr spät bekommen hat. Papa war 41 als er mich bekommen hat und es liegen schon Generationen zwischen uns. Papa hat keinerlei Ahnung von Computern oder technischem Verständnis für das digitale Zeitalter, auch wenn er eigentlich Gefallen daran gefunden hat, aber man kann ihm das Ganze nicht mehr richtig beibringen. Ich hab’s versucht und ihm den PC eingerichtet und versucht zu erklären wie leicht man Lesezeichen setzen kann und wie man auf Facebook, GMX, die Mediathek und andere Seiten kommt, aber da ist nichts zu machen. Papa gibt immer gern lehrreiche und aus seiner Lebenserfahrung basierende Kommentare, die manchmal fehl am Platz sind, aber Papa will nur noch ein ruhiges und friedliches Leben, was ich ihm gönne und wünsche. Ich wünschte nur wir hätten mehr voneinander gehabt in diesem Leben. Manchmal glaube ich, dass mir in vielen Jahren oft ein Vater gefehlt hat.
Schönstes gemeinsames Foto
Papa war immer begeistert von meinen Texten und hat sich für mich immer gewünscht, dass ich mal entdeckt würde. Ihm gefallen mehr die Lieder, die gesellschaftskritisches oder echte Emotionen ansprechen. Wäre auch komisch, wenn ein 70 Jähriger Mann gerne Battlerap hören würde. Bei Abrechnugnssongs von mir sagt er mir er fände es besser ich würde meine Zeit und Energie mehr in andere Songs stecken.
Ja, ich glaube schon sehr. Ich bin zwischen meiner Mutter und meiner Schwester aufgewachsen und hatte meinen Vater seit der Trennung eigentlich nicht mehr richtig. Diese paar Besuche sind nicht zu vergleichen mit einem gemeinsamen Leben in der Nähe voneinander.
Mein Vater war früher Sozialpädagoge. In diesem Beruf hat er mit schwer behinderten Menschen gearbeitet und auch mit schwer erziehbaren Jugendlichen, die er in einer eigenen Wohnung begleitet hat und sie versucht hat wieder zu integrieren in den Alltag. Zu einem späteren Zeitpunkt hat mein Vater sich selbstständig gemacht und Produkte für den täglichen Haushaltsbedarf verkauft hat.
Tatsächlich gibt es keine Erinnerung an einen gemeinsamen Urlaub. Wir waren immer nur mit meiner Mutter im Urlaub. Einmal auf Kreuzfahrt, einmal in der Türkei und ein paar Mal in Deutschland, wo wir meine Oma und Opa in deren Kurort besuchten.
Die gemeinsame Zeit in Wallroth, wo ich mit Papa 2013 1,5 Monate zusammenwohnte nach 13 Jahren. Es war irgendwie eine schöne Zeit, seinen Vater wieder um sich zu haben in der Normalität hat mir gut getan. Ich wünschte mir wir würden in der selben Stadt wohnen.